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Vom Tierquäler zum Straftäter gegen Menschen

Vom Tierquäler zum Straftäter gegen Menschen

Referat von Frau Dr. phil. Andrea M. Beetz, habilitiert am Institut für Sonderpädagogische Entwicklungsförderung und Rehabilitation der Universität Rostock, anlässlich der
Informationsveranstaltung „Tierquälerei und Kriminalität“ des Schweizer Tierschutz STS vom 10. Februar 2010 in Zürich

Eine wachsende Anzahl an Studien belegt eine Verbindung von Tierquälerei und zwischenmenschlicher Gewalt. Täter, die in der Kindheit oder Jugend Tiere gequält haben, zeigen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch Gewaltbereitschaft gegenüber Menschen. Jedoch müssen verschiedene Aspekte der Tierquälerei differenzierter betrachtet werden.

So stellt sich zuerst einmal schon die Frage, wie die Tierquälerei zu definieren ist, wenn sie nicht nur als Phänomen an sich, sondern in ihrer prädiktiven Funktion zum Untersuchungsgegenstand wird. Anders als im Recht, wird sie in der Forschung im Bereich Medizin und Sozialwissenschaften wie folgt beschrieben:

„Tierquälerei ist ein gesellschaftlich inakzeptables Verhalten, bei dem einem Tier mit Absicht unnötige Schmerzen, Leiden, Angst und Stress zugefügt werden und/oder durch die das Tier getötet wird.“ (F. Ascione 1993).

Diese Definition lässt Raum für Interpretation. Studienergebnisse zeigen, dass je früher in der Kindheit und je häufiger Tiere misshandelt werden, desto häufiger sich auch zwischenmenschliche Gewalt findet. Ebenso spielt die Tierart eine Rolle, ob es sich beim Opfer um Wirbeltiere oder Nicht-Wirbeltiere, oder sozial geschätzte oder weniger geschätzte Tierarten handelt. Besonders aussagekräftig ist natürlich die Intentionalität des Verhaltens, aber auch in welchem Kontext, z. B. allein oder in der Gruppe, eine solche Tat begangen wurde.

Tierquälerei geschieht aus den unterschiedlichsten Motiven heraus und in den unterschiedlichsten Formen. Opfer von absichtlicher Tierquälerei sind häufig Hunde und Katzen, wohl aber auch Kleintiere im häuslichen Umfeld - nur wird dort die Tierquälerei hinter verschlossenen Türen ausgeführt und kaum jemand außerhalb der Familie bekommt etwas mit. Auch Pferde oder Farmtiere werden immer wieder Opfer von Gewalt; als Beispiel sind hier die Pferde-Ripper-Fälle oder auch das Animal-Hoarding zu nennen. Auch der Kreis der Täter ist nicht ohne Weiteres einzuschränken. Obwohl überwiegend Männer für Fälle von Tierquälerei verantwortlich zu sein scheinen, gibt es auch Frauen, die Tiere quälen. Dies geschieht überwiegend nicht als aggressive Auseinandersetzung, sondern eher in den Bereichen der Vernachlässigung. Auch Kinder und Jugendliche quälen Tiere, hier insbesondere, aber nicht ausschließlich, Jungen, als Einzeltäter oder Mitläufer in Gruppen.

Wie bei Gewalt gegen andere Personen, wird auch bei der Tierquälerei zwischen physischem, sexuellem und psychischem Missbrauch unterschieden. Die Motive für die Taten sind sehr unterschiedlich. So kann der Wunsch nach Kontrolle über das Tier oder auch dessen Besitzer zu einer Gewalttat führen. Rachegelüste und Wut sind kein seltener Grund zu geplanten oder spontanen Akten von Tierquälerei; auch das Benutzen des Tieres um andere einzuschüchtern, wie im Falle eines dafür scharf gemachten Hundes fällt unter Tierquälerei. Als besonders erschreckend, aber auch aussagekräftig im Hinblick auf mögliche zwischenmenschliche Gewalt, wird das Motiv der „Freude am Quälen“, also ein unspezifischer Sadismus, empfunden, der auch sexuell motiviert sein kann. Unter Jugendlichen führt oft ein Gruppendruck zu Taten der Tierquälerei. Tiere zu quälen ist auch immer ein Mittel um den Besitzer zu bestrafen oder zu quälen. Gerade im Rahmen häuslicher Gewalt wird das Tier als Druckmittel gegen die Partnerin oder das Kind (z. B. sexueller Missbrauch) eingesetzt. Auf der anderen Seite quälen missbrauchte Kinder selbst manchmal Tiere, um den Missbrauch an einem noch Schwächeren auszuleben oder im posttraumatischen Spiel zu bearbeiten. Tierschutz ist nicht nur für das Wohl der Tiere sondern der Gesellschaft wichtig. Fällen von Tierquälerei nachzugehen, kann wichtige Hinweise auf ein von Gewalt und Missbrauch geprägtes Umfeld, Gewaltkriminalität oder eine psychiatrisch relevante Störung des Täters liefern. In der Forschung verdichten sich die Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Tierquälerei, psychischer Erkrankung und/oder zwischenmenschlicher Gewalt. So fanden z. B. Tingle et al. (1986) bei einer Gruppe von Sexualstraftätern, dass 48% der Vergewaltiger (N=21) und 28% der Täter, die Kinder sexuell missbraucht hatten (N=43), Tiere gequält hatten. Siebenundfünfzig Prozent der Vergewaltiger und 23% der Täter, die Kinder missbraucht hatten, hatten wenigstens einmal eine andere Person schwer körperlich verletzt. In Bezug auf z. B. Diebstahl jedoch ergaben sich kaum Unterschiede
zwischen den Gruppen (74% vs. 76%). Tierquälerei ist demnach bei der Gruppe mit höherer Gewaltbereitschaft gegenüber Menschen häufiger anzutreffen. Ascione et al. (2003) erhoben Tierquälerei im Kindesalter (6-12 Jahre) anhand von Berichten der Mütter. In der Gruppe der sexuell missbrauchten Kinder (N=481) hatten 18%, in der psychiatrisch auffälligen aber nicht sexuell missbrauchten Gruppe (N=412) 16% und in der normalen (psychisch gesund und nicht sexuell missbraucht; N=540) nur 3% Tiere gequält. Aufgrund klinischer Erfahrung und der heutigen Studienlage ist der Missbrauch von Tieren inzwischen als ein Diagnosekriterium für eine Störung des Sozialverhaltens im DSM-IV gelistet. Diese Störung ist gekennzeichnet durch lang anhaltendes Verhalten, das die Rechte anderer und soziale Normen verletzt; Aggression; Quälen anderer Personen und Tiere; Zerstörung von Eigentum anderer; Feuerlegen. Kriminelles Verhalten in Jugend oder Erwachsenenalter gehen oft damit einher.

Abschließend lässt sich zum Thema der Tierquälerei und zwischenmenschlicher Gewalt folgendes feststellen: Tierquälerei ist ein wichtiges, früh zu findendes Warnzeichen für eine Verhaltensstörung. Ob die Tierquälerei der zwischenmenschlichen Gewalt zeitlich vorausgeht oder beides Ausdruck einer generellen Devianz ist, ist bisher nicht zufriedenstellend geklärt worden. Der Hinweis, den die Tierquälerei auf das
Gewaltpotential des Täters gibt, gilt jedoch unabhängig vom zeitlichen Bezug. Tierschutz ist also nicht nur im Sinne des Tieres, sondern auch im Sinne der Gesellschaft. Eine Vernetzung der Stellen, die sich mit Tiermissbrauch, häuslicher Gewalt bzw. psychiatrischer Begutachtung beschäftigen, wird in den USA teilweise bereits praktiziert und wäre auch in Europa wünschenswert.

Quelle: http://www.tierschutzanwalt.ch

Ein Fall dazu...

Ermordete Katze - kein Kavaliersdelikt!

Zürich: Im November 2004 fand vor dem Amtsgericht die Verhandlung gegen Herrn M. statt. Ihm wurde zur Last gelegt, seine Katze im Juni diesen Jahres erstochen zu haben. Mehrere Zeugen wurden teils unter Eid vernommen. Der Beschuldigte bestritt bis zum Schluss, die Tat begangen zu haben. Das Gericht sah es im Anschluss an die Beweisaufnahme allerdings als erwiesen an, dass Herr M. in voller Absicht seiner Katze mit einem scharfen Messer in den Hals gestochen hatte, um sie zu töten. Herr M. war bereits auch schon dadurch auffällig geworden, dass er einige Anzeigen wegen leichter Körperverletzung zu verantworten hatte, eine davon mit einem Messer.

Eine Zeugin gab vor Gericht an, dass der Beschuldigte seine langhaarige Wohnungskatze getötet habe, da sie sich "nicht kämmen ließe und unsauber wäre". An der Leiche der Katze, welche die Zeugin im Juni als Beweismittel mitbrachte, stellten die Tierfreunde eine tiefe tödliche Stichverletzung am Hals und verfilzte Stellen und verklumpte Kotreste fest. Die Leiche wurde dem Veterinäramt zur Obduktion übergeben und Anzeige gegen den Halter erstattet. Die Zeugin, eine Mitarbeiterin einer Katzenschutzvereinigung "Ich bin froh, dass der Beschuldigte nun für diese grausame Tat verurteilt wurde. Solche Gräueltaten an wehrlosen Tieren sind keine verzeihbaren Kavaliersdelikte, sondern brutale Verbrechen." Die Tierschützerin bedauert jedoch, dass dem schuldig gesprochenen Herrn M. kein Tierhalteverbot auferlegt wurde.
Die Tierfreunde bitten darum, bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetzt nicht wegzuschauen, sondern dahingehende Beobachtungen sofort zu melden

 

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